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Interview – Die Digitalisierungsoffensive der Minol-ZENNER-Gruppe

Doppelinterview mit Boris Stöckermann und Sascha Schlosser über die Digitalisierungsoffensive der Minol-ZENNER-Gruppe

Die familiengeführte Minol-ZENNER-Gruppe vereint zwei traditionsreiche Firmen mit jeweils eigenem Schwerpunkt: Die Minol Messtechnik GmbH & Co. KG aus Leinfelden-Echterdingen ist auf Energiedienstleistungen für die Immobilienwirtschaft spezialisiert, die ZENNER International GmbH & Co. KG aus Saarbrücken auf Messtechnik und -systeme für die globale Versorgungswirtschaft.
Unsere Interviewpartner treiben die Digitalisierung der Minol-ZENNER-Gruppe voran: Borislav Stöckermann (links) als Leiter Geschäftsfeldentwicklung Digitale Strategien, Sascha Schlosser als Mitglied der Geschäftsführung bei ZENNER.

Connected Industry: Wie verändert der digitale Wandel die Geschäftsmodelle von Minol und ZENNER?

Herr Stöckermann: Wir interpretieren den Megatrend Digitalisierung für unsere klassischen Zielgruppen: Minol für Wohnungsunternehmen, Verwalter und Vermieter, ZENNER für Energieversorger, Stadtwerke und Industrieunternehmen. Sowohl die Immobilien- als auch die Versorgungswirtschaft kann effizienter wirtschaften, wenn sie ihre Abläufe digitalisiert und dazu IoT-Technologien nutzt. Beide Branchen können darüber hinaus neue, datenbasierte Services und Geschäftsmodelle für ihre Kunden entwickeln. Letztendlich geht es darum, dass wir als Minol-ZENNER die Entscheidung getroffen haben, unsere Kunden bei der Umsetzung der großen, digitalen Zukunftsvisionen Smart Metering, Smart Energy, Smart Living, Smart Care und Smart City gezielt und nachhaltig zu unterstützen.

Herr Schlosser: Für uns als Messtechnik-Hersteller bedeutet der digitale Wandel, dass wir unseren Fokus auf die gesamte Wertschöpfung im Messwesen ausweiten müssen: von der Projektentwicklung über die Messdatenerfassung und -verarbeitung bis zur Applikation beim Endanwender. Besonders LPWAN (Low Power Wide Area Network) sehen wir hier als Schlüsseltechnologie. Ein solches Netz ist dafür konzipiert, bei geringem Stromverbrauch eine sehr hohe Anzahl von Endgeräten, zum Beispiel Verbrauchszähler oder Sensoren, anzubinden und die Daten innerhalb kürzester Zeit über große Strecken hinweg zu übertragen. Das ermöglicht zum Beispiel eine zeit- und kostensparende Fernablesung des Energieverbrauchs und ein laufendes Energiemonitoring – beides ist unverzichtbar im Hinblick auf die Energiewende und immer strengere Klimaschutz-Vorgaben. Die Minol-ZENNER-Gruppe hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, LPWAN für die Immobilien- und Versorgungswirtschaft nutzbar zu machen.

Herr Stöckermann: Perspektivisch denken wir bei unserer Digitalisierungsoffensive aber nicht nur an unsere klassischen Zielgruppen, sondern branchenübergreifend, bis hin zum Endkunden. Zum Beispiel hat das Unternehmen TrackNet, an dem Minol-ZENNER beteiligt ist, ein IoT-System entwickelt, mit dem Familien sowohl ihr Haus als auch die Sicherheit ihrer Kinder überprüfen können.

Connected Industry: Sie sprechen von der „Digitalisierungsoffensive“ der Minol-ZENNER-Gruppe. Wie sieht diese Offensive konkret aus?

Herr Schlosser: ZENNER selbst hat vor mehr als einem Jahr damit begonnen, das Portfolio um smarte IoT-Verbrauchszähler zu ergänzen. Mit unseren neuen Kommunikationsmodulen können Wärme- und Wasserzähler ebenso wie Gaszähler und andere Messgeräte in LoRaWAN- und SIGFOX-Netze eingebunden werden. Doch smarte Endgeräte sind nur ein Baustein: ZENNER wird sich vom Gerätehersteller zum Lösungsanbieter weiterentwickeln. In fünf Jahren wollen wir zu den führenden IoT-Lösungsanbietern in den Bereichen Smart Utility, Smart City und Smart Home gehören. Zur Digitalisierungsoffensive gehört entsprechend, dass die Minol-ZENNER-Gruppe sich im letzten halben Jahr an drei Unternehmen im IoT-Umfeld beteiligt hat: TrackNet, SmartMakers und ZENNER IoT Solutions. Im Verbund mit diesen Partnern können wir komplette IoT-Lösungen anbieten: Zähler und Sensoren, die technische Infrastruktur zur Übermittlung der Daten, also Netze und Gateways, eine hochskalierbare, hochsichere und in Deutschland betriebene IoT-Daten-Cloud inklusive performantem Big-Data-Management, Beratung beim Aufbau individueller IoT-Netze – und schließlich Software-Plattformen und Applikationen zur Nutzung der Daten.

Herr Stöckermann: Schon in der Vergangenheit waren Minol und ZENNER sehr fortschrittlich. Zum Beispiel nutzt Minol seit Mitte der 1990er Jahre Funk-Messtechnik, um die Verbrauchswerte außerhalb der Wohnungen zu erfassen und den Komfort für die Hausbewohner zu erhöhen, und bietet Vermietern und Verwaltern verschiedene Services, um die Betriebskostenabrechnung zu digitalisieren. Ein konkretes Produkt unserer aktuellen Digitalisierungsoffensive ist unsere neue IoT-Lösung Minol Connect. Es ist ein LPWAN, das auf dem offenen Übertragungsstandard LoRaWAN beruht. Außer der Messtechnik für Wärme und Wasser können auch weitere LoRaWAN-fähige Geräte und Sensoren in das System eingebunden werden: Verbrauchszähler, Rauchwarnmelder, Temperatur- und Feuchtesensoren, Smart-Home-Lösungen und vieles mehr. Der offene, weltweit gültige LoRaWAN-Standard macht Endgeräte verschiedener Hersteller integrierbar. Die erfassten Daten in der Cloud lassen sich für zahlreiche komfortable smarte Services nutzen.

Connected Industry: Welche smarten Services bietet Minol der Immobilienwirtschaft konkret an?

Herr Stöckermann: Ein erster Anwendungsbereich ist die Betriebskostenabrechnung, für die wir mit Minol Connect alle Verbrauchswerte innerhalb kürzester Zeit aus der Ferne erfassen können. Auch die Statusinformationen der Messgeräte können wir regelmäßig abrufen, um technische Defekte zeitnah zu erkennen und zu beheben. Ein Service ist auch das „eMonitoring“, das dem Verwalter zeigt, wie sich der Verbrauch der Gebäude und einzelner Wohnungen im Jahresverlauf und im Vergleich zu den Vorjahren entwickelt. Das neue IoT-Lösung ist zudem die technische Grundlage, um gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, die schon heute absehbar sind und künftig regelmäßige Verbrauchsinformationen für die Mieter vorschreiben könnten. Über die Services von Minol hinaus, können Wohnungsunternehmen und Verwalter auch eigene digitale Geschäftsmodelle etablieren, zum Beispiel ein Mieterportal mit Verbrauchsinformationen für die Mieter. Künftig werden auch die Hausbewohner ihren Energieverbrauch und ihr Zuhause über Online-Portale und Apps überwachen und steuern können.

Connected Industry: Haben Sie solche konkreten Beispiele auch für das Kernsegment von ZENNER, die Versorgungswirtschaft?

Herr Schlosser: Wir sind beispielsweise jetzt schon in der Lage, Lösungen zur konsolidierten Mehrspartenauslesung zu implementieren. So haben wir zum Beispiel im Mai 2017 auf der Versorger-Fachkonferenz ZMP in Leipzig das erste, CLS-fähige LoRaWAN-Gateway vorgestellt. Die Lösung setzt dabei gezielt beim verpflichtenden Smart-Meter-Rollout der Sparte Strom an. Mit dem CLS-LoRaWAN-Gateway können Stadtwerke oder dritte Energiemarktdienstleister die bestehende Infrastruktur an intelligenten Messsystemen für weitere Mehrwertanwendungen zugänglich und nutzbar machen.

Aktuell arbeiten wir mit mehreren Stadtwerken an konkreten IoT-Pilotprojekten, um unterschiedlichste Anwendungsfälle innerhalb des versorgungswirtschaftlichen Kerngeschäfts zu testen. Allerdings ist heute schon mit Sicherheit zu sagen, dass die Fernablesung über Niedrigenergienetze auch für Wärme- und Wasserversorger höchst relevant ist. Sie können damit sämtliche Zähler und Messstellen vollautomatisiert periodisch – zum Beispiel monatlich, täglich oder stündlich – ablesen, viel schneller und effizienter als bei einer manuellen Vor-Ort-Ablesung oder beim Einsatz von Datenloggern. Stadtwerke können so zum Beispiel den Wasserbezug und -verkauf exakt gegenüberstellen und mögliche Wasserverluste präziser berechnen und nachvollziehen. Außerdem entfallen die Anfahrten zu den Messstellen, ebenso eventuelle Terminabsprachen mit Gebäudeeigentümern, um Zugang zu den Liegenschaften zu erhalten. Über diese Anwendungen hinaus ermöglicht ein LPWAN noch viele weitere smarte Services, die im Konzept der sogenannten „Smart City“ eine große Rolle spielen: zum Beispiel das laufende Monitoring von Umweltdaten wie Luftverschmutzung oder Wasserstände, die Überwachung von Trafostationen, die smarte Steuerung der Straßenbeleuchtung oder intelligente Parksysteme. Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass der Einsatz standardisierter und kostengünstiger IoT-Technologie in der gesamten Wertschöpfung der Kommunal- und Versorgungswirtschaft wesentliche Effizienzvorteile und Mehrwertpotenziale bringt.

Interview – Digitalisierung in der gesetzlichen Sozialversicherung

Interview mit Christian Klose, Chief Digital Officer der AOK Nordost

Christian Klose ist Chief Digital Officer der AOK Nordost und ein umsetzungsorientierter Befürworter der digitalen Transformation. Der Krankenkassenfachwirt begann seine Karriere 1988 bei der AOK mit einer Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten und hat sich bis zur Geschäftsleitung hochgearbeitet bis er schließlich im April 2016 in die Position des Chief Digital Officers berufen wurde. 

Connected Industry: Welcher Weg hat Sie dahin geführt, Chief Digital Officer der AOK Nordost zu werden?

Ich war die letzten 10 Jahre Geschäftsführer bei der AOK und dabei überwiegend für die Marktressorts verantwortlich. Dadurch hatte ich die herausfordernde Gelegenheit die Ausrichtung auf unsere Kunden aktiv mitzugestalten. Das ist auch das, was ich als meine Passion bezeichnen würde: Das Unternehmen auf die Kundenbedürfnisse auszurichten.

Darauf zu achten bedeutet auch, reale Mehrwerte für den Kunden zu betrachten. Gerade die Digitalisierung hängt genau an diesem Punkt auf. Digitalisierung ohne Mehrwerte ist Unsinn.

Wir stellen uns bei unseren Vorhaben stets die Frage, wie wir wirklich einen Kundennutzen generieren.

Connected Industry: Unter den Lesern wird vermutlich kaum jemand die gesetzliche Krankenversicherung mit Innovation in Verbindung bringen. Kann eine Krankenversicherung überhaupt Innovation?

Die gesetzliche Krankenversicherung als Branche wirkt tatsächlich nicht besonders innovativ, aber genau das möchten wir ändern. Wir entwickeln gerade auch hinsichtlich der Digitalisierung viele neue Ideen für Produkte und Services, die so bisher noch nicht abgebildet wurden.

Eines gilt auch in der gesetzlichen Krankenversicherung: Wir stehen mit anderen Krankenkassen im Wettbewerb, daher zählt auch für uns, unseren Kunden einen echten Vorteil zu bieten.

Connected Industry: Sie haben auch ein Innovationslabor eingerichtet. Wer arbeitet in Ihrem „Inno-Lab“ und wie gehen Sie dabei vor?

Wir arbeiten primär mit Kunden! Wir laden gezielt Kunden in Workshops ein, so dass wir ein ganz direktes Kundenfeedback erhalten.

Auf der Seite unserer Mitarbeiter arbeiten wir hier auch viel mit Designern, um die Customer Experience und unsere Präsenz zu verbessern. Wir schauen uns an, welche Inhalte eine entsprechende Nutzung haben, um zu erkennen, was gut und was weniger gut funktioniert.

Ein Teil unserer Mitarbeiter haben bereits Erfahrung bei der Realisierung von Projekten, die Digitalisierung zum Ziel haben. Ein anderer Teil sind digital-affine Kollegen, mit einem Hintergrund als klassische Sozialversicherungsfachangestellte die durch ihre Interessenslagen einen anderen Blick auf die Prozesse haben. Wir suchen uns sehr kreative Mitarbeiter aus, die eine Idee davon haben, wie eine Krankenkasse kundenorientierter werden kann. Wir arbeiten aber auch mit Mitarbeitern aus anderen Fachrichtungen.

Meine Mitarbeiter sind oder werden mit den neuen Projektmanagement Methoden Scrum und Design Thinking ausgebildet. Wir entwickeln in unserem Innovation-Lab Prototypen und testen sie agil, führen sie also in Schleifen zurück in die Entwicklung.

Connected Industry: Was genau entwickeln Sie denn eigentlich im Innovation-Lab?

Wir befassen uns für dieses Jahr intensiv mit einer eigenen Kundenplattform, die eine Vielzahl von kundenorientierten Services bereitstellen soll. Beispielsweise mussten die umgangssprachlich als Krankmeldungen bezeichneten Bescheinigung bisher immer per Post an uns gesendet werden. Wir wollen einen Foto-Upload zum Einreichen von Unterlagen anbieten. Über diesen Foto-Upload können dann z. B. genau diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit dem Handy fotografiert und bei uns bequem hochgeladen werden.

Unser wichtigstes Projekt ist eine Vernetzung aller Leistungserbringer aller Bereiche, also die ambulant tätigen Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, um nur einige Beispiele zu nennen.

Bisher sind leider nicht alle Informationen zur Behandlung verfügbar, die über eine Vernetzung zur Verfügung stehen könnten. Zukünftig soll der Kunde selbst entscheiden dürfen, welchen Leistungserbringern er seine Daten zur Verfügung stellt, um beispielsweise seine Weiterbehandlung bestmöglich zu gestalten.

Die Bereitstellung der Arzneimitteldaten als Beispiel kann einen großen Nutzen darstellen. In Deutschland sterben pro Jahr je nach Studien zwischen 20.000 und 50.000 Menschen an den Wechselwirkungen von Medikamenten, im Vergleich dazu haben wir rd. 3.500 Verkehrstote. Vermutlich haben dieses Problem nur die wenigsten im Blick.

Ein großer Vorteil mit hohem Mehrwert für den Kunden ist der intelligente Medikationsplan. Der Medikationsplan soll nicht nur mit einem Wiki hinterlegt sein, sondern auch maschinell mitdenken und gefährliche Wechselwirkungen automatisch erkennen und auf diese hinweisen.

Eine weitere Anwendung ist der elektronische Impfpass, der mit relevanten Daten automatisiert versorgt wird. Wir von der AOK würden die bei bei uns zum Impfstatus vorliegenden Daten  in den elektronischen Impfpass einspeisen. Sollte einer unserer Kunden, der dieser Funktion zugestimmt hat, beispielsweise ein neues Lebensjahr erreichen oder nach Asien in den Urlaub fliegen wollen, können hierüber zielgenaue Impfvorschläge unterbreitet werden.

Connected Industry: Welche Technologien spielen bei Ihren Entwicklungen eine Rolle?

Wir machen das beispielsweise mittels eines Konsortiums mit Cisco und Tiani Spirit, der Lösungsanbieter, der auch die elektronische Gesundheitsakte in Österreich umsetzt.

Wir setzen dabei auf eine dezentrale Datenhaltung. Die Daten bleiben dort, wo sie erhoben wurden. Beispielsweise bleibt der Krankenhausbrief im Krankenhaus. Die Daten werden nicht zentral gehostet, können aber von anderen Stellen aus abgerufen werden. Vorausgesetzt immer, der Kunde stimmt dem zu.

Connected Industry: Ist die elektronische Gesundheitskarte nicht längst umgesetzt worden?

Jein, die gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) sollte dies zwar für alle Krankenkassen umsetzen, bisher werden auf diesem Chip jedoch keine medizinischen Daten gespeichert. Die Karte speichert derzeitig nur Namen und Anschrift des Patienten.

Connected Industry: In wie weit behindert der gesetzliche Datenschutz Sie bei der Arbeit?

Derjenige, der den Datenschutz beherrscht hat den Wettbewerbsvorteil. Wir müssen die Daten des Einzelnen schützen. Das ist eine der Aufgaben einer jeden Versicherung.

Connected Industry: Wie sehen Sie das Konzept der Wearables als Gesundheitsassistenz?

Die AOK Nordost hat das erste volldigitale Bonusprogramm entwickelt, bei dem wir über Smartphone oder Wearables erfasste Aktivitätsdaten berücksichtigt werden. Wir wissen nicht, wer wo im Berliner Grunewald wie viel gelaufen ist, aber wir wissen, dass eine sportliche Aktivität zu verzeichnen ist. Dies kommt bei vielen Versicherten besser an, als ein Heftchen im Fitness Center abstempeln zu lassen.

Connected Industry: Welche Rolle spielt Big Data und Data Science für Sie?

Eine sehr große. Zwar ist die gesetzliche Krankenkasse noch ganz am Anfang, sich mit prädiktiven Modellen auseinanderzusetzen, allerdings sind wir hier gerade beim Umdenken. Wir hatten bisher nur eine isolierte Betrachtung der Daten. Aus den vielen Datenpfützen würden wir gerne einen Datensee erschaffen.

Dies gilt zum einen für die medizinische Betrachtung. Denn die Genom-Entschlüsselung ist ein Beispiel der Big Data Anwendung. Mit Big Data Analytics wird es zukünftig möglich sein, bessere Diagnosen zu stellen und somit für den einzelnen Patienten individuell abgestimmte Behandlungen vorschlagen zu können.  Voraussetzung auch hierbei muss stets Datenschutz und auch Persönlichkeitsrechte des Einzelnen sein.

Zum anderen ist Data Science auch für unseren geschäftlichen Alltag nützlich und kann uns dabei helfen, das Wirtschaftlichkeitsgebot besser einhalten zu können. Geschäftsdatenanalysen ermöglichen schlanke und kundenorientierte Prozesse. Aktuell arbeiten wir erstmal daran, eine umfassende Datenanalysemethodik zu entwickeln, der uns aus jedem Blickwinkel, z. B. den drei Perspektiven ambulante Behandlung, stationäre Behandlung und Pflege, aussagekräftige Analysen ermöglicht.

Connected Industry: Sie vertreten die Meinung, dass alle Trends ineinandergreifen und beispielsweise auch das Thema Smart Home für Ihr Innovation-Lab eine Rolle spielen wird. Könnten Sie das näher ausführen?

Ja. Wir haben einen zunehmenden Trend von Single-Haushalten und eine alternde Gesellschaft. Es leben immer mehr Menschen alleine zu Hause, die familiäre Unterstützung fehlt oft. Das Thema Pflege könnte mit den Konzepten aus der Rubrik Smart Home erleichtert werden. Auch könnten wir früher erkennen, wenn etwas bei Personen, die eigentlich nicht pflegebedürftig sind, nicht stimmt. Zum Beispiel, wenn der Kühlschrank oder die Medikationsbox uns dies mitteilen würde. Denken Sie daran, wie oft es schon vorgekommen ist, dass ein allein lebender Mensch im eigenen Haushalt unbemerkt eine gesundheitliche Krise erlebte, einen Unfall hatte oder Schlimmeres.

Natürlich ist dieses Thema strikt an den Datenschutz gebunden.

Connected Industry: Bei einigen Ihrer Ausführungen zur verbesserten Diagnosestellung könnte man sich die Frage stellen, ob Hausärzte bald überflüssig werden könnten?

Nein, davon sind wir sehr weit entfernt. Die Technik kann den menschlichen Arzt, der sich in Menschen und ihre Lagen hineinversetzen kann, nicht ersetzen, aber unterstützen.

 

Interview – Digitalisierung im Banking

Interview mit Dirk Elsner, Senior Manager für Digitalisierung & Innovation bei der DZ Bank

dirk-elsner-dz-bankDie DZ BANK AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main, gehört mehrheitlich rund 1.000 Genossenschaftsbanken in Deutschland. Als Zentralbank und Spitzeninstitut hat sie den Auftrag, die Geschäfte der vielen eigenständigen Genossenschaftsbanken vor Ort zu unterstützen und ihre Position im Wettbewerb zu stärken.

Connected Industry: Wie war Ihr Weg hin zum Senior Manager Digitalisierung und Innovation bei der DZ Bank?

Mit dem Thema Innovation und Digitalisierung beschäftige ich mich seit Mitte der 90er Jahre. Daneben war ich bei Banken in der Produktentwicklung tätig und habe mich um verschiedene Fachbereichsthemen – auch in der Unternehmensberatung – gekümmert. Parallel habe ich mich relativ früh mit der Fintech-Szene, die damals noch New Banking oder Banking 2.0 hieß, beschäftigt und und mit in meinem Blog mit neuen Entwicklungen in diesem Umfeld befasst. Darüber sind sehr früh Kontakte zu den ersten Fintechs entstanden. In der Unternehmensberatung, für die ich vorher gearbeitet habe, hatten wir ab 2010 bereits die ersten Projekte in diesem Bereich.

Parallel halfen meine Kolumnen „Bankenwandler“ für das Wall Street Journal Deutschland und „Finanzevolution“ für Capital bei der Vernetzung.

Connected Industry: Wie begegnen Sie den Herausforderungen im Kontext der Digitalisierung im Bankenbereich?

Digitalisierung ist zunächst nur ein Teilbereich der Innovation. Man muss hier beachten, dass es auch zahlreiche weitere Innovationsfelder außerhalb der Digitalisierung gibt. Ich freue mich, wie breit die DZ Bank Gruppe mit Blick auf Innovation und Digitalisierungsaktivitäten aufgestellt ist. Eine Aufgabe unserer Abteilung ist es, diese Aktivitäten, die dezentral stattfinden, transparent zu machen. Daneben kümmern wir uns um Themen im Innovationsmanagement: Wie kann man mit neuen Arbeits- und Projektmethoden die Veränderung unterstützen? Im Wettbewerb mit den Fintechs sehen wir, dass hier ganz andere Geschwindigkeiten und Methoden gefragt sind, um Innovation umzusetzen. Dabei unterstützen wir die Fachbereich und Tochterunternehmen, stellen Plattformen und Methonden für die Innovationsförderung zur Verfügung, wie z. B. das Innovation Lab, das wir erst kürzlich gestartet haben. Wir unterhalten zudem sehr intensive Kontakte zu Fintechs, die wir weiter auf- und ausbauen.

Connected Industry: Was kann man von Fintechs lernen?

Zum einen sind es die Methoden wie neue Formen der Produktentwicklung und vor allem auch die konkreten Produkte. Wir sehen viele interessante Ideen im  Fintech-Bereich, an die sich Banken vorher noch nicht heranwagten. Durch den Dialog mit Fintechs erhalten Banken viele Inspirationen und konkrete Produkte.

Connected Industry: Wohin wird sich das Thema „Digitales Banking“ entwickeln?

Wir werden sehen, dass alles, was digitalisierbar ist, digitalisiert werden wird. Und hier ist der Weg noch weit. Es gibt viele Prozesse in Richtung Regulatorik, Meldewesen oder interne Prozesse in Banken, die noch auf Veränderungen warten. Ein hohes Maß an Digitalisierung ist erreicht, wenn keine Medienbrüche mehr vorliegen und verschiedenste Endgeräte, egal ob PC, Tablet oder Handy Informationen weiterreichen können. Der Grad der Automatisierung wird zudem deutlich ansteigen. Im Bankenumfeld werden mehr Drittanbieter an- und eingebunden werden. Ich denke, wir stehen erst am Anfang der Veränderung. Ich sehe zudem, dass Banken und Fintechs stärker zusammenarbeiten werden.

Darüber hinaus kann es auch zu Überraschungen am Markt kommen, durch Teilnehmer, mit denen früher niemand gerechnet hat.

Interview – Industrie 4.0 aus Sicht von KUKA Roboter

Interview mit Heinrich Munz, Lead Architect Industry 4.0 bei KUKA Roboter

heinrich_munz_kukaHeinrich Munz ist Lead Architect Industry 4.0 bei der KUKA Roboter GmbH, Augsburg. Er gründete nach dem Elektronik-Studium 1985 zusammen mit Partnern die LP Elektronik GmbH, bei der er als Geschäftsführer für Entwicklung, Vertrieb und Marketing verantwortlich war. Dies führte 1996 zur Übernahme der Firma LP Elektronik durch KUKA Roboter. 1999 folgte Heinrich Munz dem Ruf des Mutterunternehmens, wo er zunächst als Senior Developer System Engineering in der seriennahen Vorentwicklung mit der Planung und Entwicklung von zukünftiger Steuerungstechnik beschäftigt war. Um dem immer stärker werdenden Einfluss von Vernetzung und Digitalisierung auf die Automatisierung Rechnung zu tragen, ist Herr Munz seit geraumer Zeit als Lead Architect Industry 4.0 für KUKA tätig.

Connected Industry: Was bedeutet Industrie 4.0 aus Ihrer Sicht?

Für KUKA ist Industrie 4.0 zunächst die komplette Digitalisierung der Fertigungsindustrie mit den Hauptzielen Effizienzsteigerung und neuen Business-Modellen. Ich bin Mitglied der Arbeitsgruppe 1 der Industrie 4.0-Plattform und dort haben wir den Begriff der Industrie 4.0 auch auf die Prozessindustrie ausgedehnt. Industrie 4.0 ist somit die komplette Digitalisierung der Prozess- und Fertigungsindustrie – in einem wesentlich höheren Maße als es heute der Fall ist.

Connected Industry: Welche Themen setzt KUKA im Kontext von Industrie 4.0 um?

Wir haben angefangen unsere eigene Produktion vollständig zu digitalisieren. Dies erreichen wir, indem wir damit begonnen haben, Daten aus bestehenden Produktionsanlagen zu sammeln, ohne deren Funktion zunächst zu verändern. Das Ziel war ohne Änderung bestehender Steuerungen zusätzliche Funktionen zu etablieren. Das zweite, was wir entwickeln, ist die KUKA Connect Cloud, welche wir auf der Hannover Messe 2016 vorgestellt haben. In diese Cloud werden die Daten aus unserer Produktion hochgeschickt, um entsprechende Big Data Analysen und Optimierungen zu betreiben. Hierzu haben wir auch das Tochterunternehmen connyun (www.connyun.com) gegründet, die diese cloudbasierten Anwendungen für die Digitalisierung der Produktion, Logistik und ‚Connected Products‘ am Markt positioniert.

Connected Industry: Welche Bedeutung haben dabei Smarte Dienstleistungen?

Hier sind wir vollständig konform mit dem Industrie 4.0 Gedankengut, dass ein Großteil des Erfolges darin liegen wird, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Bei uns ist dabei die Grundidee „Everything as a Service“ von hoher Bedeutung, also dem Kunden nicht mehr nur Produkte zu verkaufen z.B. in Form von Robotern, sondern ihm das zu bieten was er wirklich haben will – nämlich die Bewegung. Der Fokus verschiebt sich vom Verkauf von Produkten zur Monetarisierung des Kundennutzens. Die Produkte selbst werden Mittel zum Zweck und bleiben unter Umständen in unserem eigenen Besitz oder wir betreiben diese im Kundenauftrag (Betreibermodelle).

Connected Industry: Inwieweit wird die Mensch-Roboter-Kollaboration die Arbeitswelt in den nächsten Jahren verändern?

Die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) haben wir schon seit einigen Jahren serienreif in Form unseres Leichtbauroboters LBR iiwa eingeführt. Dieser hat wenig Eigengewicht bei vergleichsweise hohen Payloads, zudem sichere Gelenk-Momenten-Sensoren, wodurch wir auf Zäune verzichten können und Menschen Hand in Hand mit dem Roboter zusammenarbeiten lassen können. Montiert auf einer autonom navigierenden Plattform wird der Leichtbauroboter zum mobilen Roboter KMR iiwa. MRK und Mobilität: Das sind wichtige Bestandteile von Industrie 4.0.

Connected Industry: Was ist aus Ihrer Sicht der nächste große Schritt hin zur Industrie 4.0?

Was als nächstes nach dem Datensammeln und -auswerten kommen muss, ist zum einen das Steuern aus der Cloud heraus und zum andern durchgängig digitalisierte Wertschöpfungsketten. Diese lassen sich dadurch verwirklichen, dass man sich gemeinsam auf bestimmte Datenformate und Standards einigt, so dass ein Glied der Wertschöpfungskette seine Daten dem anderen direkt weitergeben kann. Und dies über alle Glieder der Wertschöpfungsketten hinweg Und diese Wertschöpfungsketten müssen durchgängig digitalisiert werden – dies ist die nächste große Herausforderung, denn hier geht es über Firmengrenzen hinweg und Vertrauen spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle.

Connected Industry: Sehen Sie Google als Wettbewerber?

Man muss Google immer ernst nehmen, aber Geld alleine reicht in diesem Umfeld nicht aus. Aus meiner langjährigen Erfahrung ist klar, dass Robotik nicht aus 99% IT und ein wenig Mechanik besteht, sondern dass Mechanik genauso wichtig ist wie die IT. Die richtige Kombination von beiden Bereichen macht das Ergebnis aus.

Interview – Industrie 4.0 am Beispiel der Maschinenfabrik Reinhausen

Interview mit Industrie 4.0 Experte Johann Hofmann von der Maschinenfabrik Reinhausen

Johann Hofmann ist Leiter für den Bereich ValueFacturing® der Maschinenfabrik Reinhausen in Regensburg, dem Weltmarktführer für Laststufenschaltern für Leistungstransformatoren der Hochspjohann-hofmann-industrie4-experteannungstechnik. Herr Hofmann ist ein Entwickler von Datenmanagement in der Fertigung und gilt als einer der begehrtesten Experten für Industrie 4.0 in Deutschland.

Johann Hofmann ist studierter Maschinenbau-Ingenieur und beschäftigt sich seit 1989 mit der Digitalisierung der Fertigung und seit 2011, also dem Zeitpunkt des erstmaligen Auftauchens dieses Trendbegriffs, mit Industrie 4.0. Im Jahr 2013 gewann er mit der Maschinenfabrik Reinhausen gleich zwei Preise, den Industrie 4.0 Award und den Finalistenpreis beim Innovationspreis der deutschen Wirtschaft. 2016 ist er mit ValueFacturing® ein zweites Mal Finalist beim Innovationspreis der deutschen Wirtschaft in der Kategorie Industrie 4.0.

Connected Industry: Herr Hofmann, Industrie 4.0 gilt derzeit als der größte Technologie-Trends der internationalen Industrie, dabei scheint jede Branche diesen Begriff für sich selbst zu interpretieren. Was bedeutet Industrie 4.0 denn nun wirklich?

Eine Wette auf unsere Wettbewerbsfähigkeit und für die Zukunft Deutschlands, wobei ich keinerlei Zweifel daran habe, dass wir diese Wette gewinnen können, jedoch nicht ohne unser aktives Erfinden, Handeln und Umsetzen. Dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen.
Von ganz großer Flughöhe aus betrachtet unterscheide ich drei Perspektiven: Die Industrie 4.0 erstens für Produkte, zweitens für Prozesse und drittens für Geschäftsmodelle. Ich persönlich befasse mich mit den Themen der Industrie 4.0 für Prozesse. Konkret geht es darum, kleinste Losgrößen wirtschaftlich herstellen zu können, dabei flexible Produktionssysteme zu schaffen, die kundenindividuelle Produktionsvorgänge ermöglichen und darüber hinaus die Verkürzung von Durchlaufzeiten. Was früher undenkbar war, macht die digitale Welt schon heute möglich, auch wenn wir gesamtheitlich betrachtet noch am Anfang stehen.

Connected Industry: Ist der Begriff „Industrie 4.0“ wirklich treffend und zukunftsfähig?

Diese Frage stelle ich mir auch immer wieder. Für manche ist der Begriff bereits zum Schimpfwort geworden. Der Trendbegriff „Industrie 4.0“ ist für die Industrie entstanden, da diese in ihrer Tradition festsitzt, beim digitalen Wandel jedoch hinterherhinkt. Mittlerweile ist die gesamte Gesellschaft von dem Wandel betroffen, beispielsweise mit Smart Farming, digitale Bezahlprozesse oder vernetzte Autos. Es betrifft heute jeden, daher kann ich mir schon vorstellen, dass der Begriff „Industrie 4.0“ zu eng gefasst und vielleicht schon bald durch eine neue Wortschöpfung ersetzt wird.
Connected Industry: Gibt es einen Unterschied zwischen der Digitalisierung und der digitalen Transformation?

Genau genommen ist die Digitalisierung mit Industrie 3.0 losgegangen. Die darauf folgende digitale Transformation ist der Startpunkt und damit die Basis von Industrie 4.0.

Beide Begriffe unterscheide ich wie folgt: Die Digitalisierung bedeutet, dass ein vorhandener bzw. etablierter Prozess papierlos gemacht wird, ohne dabei große Änderungen am Prozess selbst zu vollziehen. Ein alltägliches Beispiel dafür ist das Flugticket, dass man für den Einstieg ins Flugzeug benötigt. Früher, und übergangsweise auch noch heute, musste man erst zum Schalter der Airline im Flughafen und dort das Ticket ausdrucken lassen, dieses dann die ganze Zeit bei sich behalten und dann zum Einstieg ins Flugzeug erneut vorzeigen. Heute funktioniert das mit einem digitalen Abbild des ursprünglichen Papiertickets, dass man dann z. B. in der Cloud speichern und vom Smartphone aus abrufen und verwenden kann, das dann auch noch nach Jahren wiederfinden kann.
Die Digitale Transformation geht einen Schritt weiter, denn mit ihr ändert sich ein Prozess grundlegend und neue Geschäftsmodelle verdrängen ältere. Erst wird der Prozess papierlos (Digitalisierung), dann ändert sich der Prozess, weil nun Dinge möglich werden, die vorher nicht funktionierten.
Beispielsweise wird das Lesen von Büchern zunehmend papierlos und im zweiten Schritt ändert sich das Kauf- und Nutzungsverhalten von Büchern. Auch Branchen wie die Automobilindustrie sind gerade in der Digitalen Transformation angekommen.

Connected Industry: Welchen Stand haben wir in Deutschland mit der Industrie 4.0 heute schon erreicht?

Wir erreichen schon heute nachweisbare Effizienzsteigerungen, Flexibilisierung und digital dokumentierte Arbeitsvorgänge. Die positiven Effekte sind wahrnehmbar.
Insgesamt steht die Industrie jedoch noch am Anfang und vieles, was heute vorhergesagt wird, wird sich später sicherlich als falsch herausstellen. Dafür wird aber auch manches funktionieren, was heute noch nicht denkbar ist.

Connected Industry: Die Maschinenfabrik Reinhausen haben Sie maßgeblich mitgestaltet und dafür angesehene Innovationspreise gewonnen. In wie weit sind die Konzepte der Industrie 4.0 in Ihrer Maschinenfabrik Reinhausen tatsächlich umgesetzt?

Wir haben in unserer Fertigung ein digitales Assistenzsystem entwickelt und eingeführt, dass uns auf dem Innovationslevel in der Fertigung sehr weit nach vorne gebracht hat.
Wir arbeiten bereits bald 30 Jahre an dem Ziel der Smart Factory und der damit verbundenen Verschlankung, Flexibilisierung und letztendlich auch an der Digitalisierung der Fertigungsprozesse. Wir haben mit ValueFacturing® unsere gesamte Mannschaft der Produktion dazu befähigt, bessere Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidung obliegt immer noch dem Menschen.
Durch die digitale Vernetzung können wir bereits jetzt signifikante Verkürzungen der Lieferzeiten realisieren.

Connected Industry: Wie kann man sich das technisch vorstellen?

Auf oberster Ebene der Automatisierungspyramide steht das ERP-System, so auch bei uns. Darunter kommt gleich unsere Datendrehscheibe, die Daten zwischen den einzelnen Maschinen bidirektional austauscht. Wir haben u.a den Fertigungshilfsmittel – Kreislauf digitalisiert, können somit Arbeitsgänge aus Fertigungsaufträgen papierlos abwickeln und beispielsweise Rüstvorgänge optimieren. Die ValueFacturing® – Datendrehscheibe ist ein Integrationssysteme für die bereits vorhandenen Systeme. Es nutzt zur Datenspeicherung die bereits vorhandenen Datenbanken der Drittsysteme und verteilt und komponiert daraus in Echtzeit alle benötigen Daten. Darüber hinaus ist ValueFacturing® in der Lage durch Datenanreicherung fehlende Daten automatisch zu generieren.
Zusätzlich beinhaltet ValueFacturing® auch eine Datenpumpe, die im Sekundentakt Rohdaten aus der Fertigung sammelt in einer Analyse-Datenbank archiviert. Durch Data-Mining veredelt ValueFacturing® diese Rohdaten zu Informationen. Dadurch kommen wir zu neuartigen Erkenntnissen die es ermöglichen steigende Qualitätsanforderungen, kürzere Lieferzeiten, sich verkürzende Produktlebenszyklen und eine wachsende Variantenvielfalt zu beherrschen.

Connected Industry: Das Manfuacturing Execution System (MES) wird von vielen Lösungsanbietern als Schlüssel zur Industrie 4.0 gepriesen, andere wiederum halten es nur für eine Zwischenlösung.

Wir sind mit ValueFacturing® im weitesten Sinne im Dunstkreis eines MES tätig. Unsere Datenpumpe erfüllt nämlich im Bereich der zerspanenden Fertigung MES – Aufgaben. Wobei wir der Überzeugung sind, dass uns als Maschinenfabrik die Auswertung der Rohdaten besser gelingt als Softwarehäusern. Zusätzlich realisiert unsere Datendrehscheibe allerdings Aufgaben die kein MES beherrscht. Dieser Leistungsumfang lässt sich am besten mit dem Wort: ValueFacturing® umschreiben.

Connected Industry: Sie entwickeln Ihre Software selbst. Warum nutzten Sie nicht Lösungen von etablierten Software-Herstellern?

Es gibt einfach noch keinen Lösungsanbieter, der diese Heterogenität der Maschinenlandschaft entsprechen unseren hohen Anforderung bewältigt. In jeder Fertigungshalle stehen unterschiedlichste Maschinen, Anlagen, Softwaresysteme unterschiedlichster Baujahre und natürlich von diversen Herstellern. Unsere Datendrehscheibe ist deshalb auch als Multidolmetscher im Einsatz, allerdings nicht mit 1:1 Schnittstellen, sondern mit intelligenten Konnektoren. ValueFacturing® beinhaltet über 25 Jahre Zerspanungs Knowhow der Maschinenfabrik Reinhausen. Die Bewältigung dieser Heterogenität ist unsere Kernkompetenz.

Connected Industry: Was steht IT-technisch dahinter?

Unsere ITler entwickeln auf aktuellsten Microsoft Technologien. Alle unsere 15 Kunden nutzen den ValueFacturing® Webservice in der privaten Cloud, der auf den kundeninternen Servern liegt, so dass Fragen bzgl. der Datengeheimhaltung gar nicht erst aufkommen.
Basierend auf Microsoft AZURE, einer Cloud Technologie von Microsoft, stellen wir ab April 2016 jedoch auch ein Modell der Public Cloud zur Verfügung, die als Alternative vor allem wirtschaftliche Vorteile bietet.

Connected Industry: Kann Industrie 4.0 als eine Fortführung des Lean Managements unter Einsatz von elektronischer Datenverarbeitung betrachtet werden oder geht Industrie 4.0 noch weiter?

Lean Management ist für mich eine Grundvoraussetzung für Industrie 4.0. Ohne Lean wird die Digitale Transformation nicht funktionieren. Die Prozesse in der nicht-digitalisierten Fabrik laufen in bisher nur gut, weil die Menschen trainiert sind und vieles auswendig können. Nach der Digitalisierung ändern sich die Gewohnheiten und genau dann sind schlanke sowie stabile Prozesse wichtig.

Connected Industry: Wie stehen Sie zum artverwandten Trendthema „Big Data“?

Unter Big Data verstehe ich erstmal nur ein Sammeln von Rohdaten in großer Menge, hoher Geschwindigkeit oder Komplexität auf Grund der strukturellen Unterschiedlichkeit. Interessant wird die Auswertung von Big Data, also Big Data Analytics, bei der Mustererkennungsmethoden eingesetzt werden, um neue Erkenntnisse aus den Daten zu ziehen.
Big Data Analytics ist somit ein wichtiger Bestandteil der Industrie 4.0.

Connected Industry: Als Datenpumpe bezeichnen Sie die Software-Architektur, die die Maschinendaten archiviert und für Analysen bereitstellt, welche Erkenntnisse wären dadurch denkbar?

Wir haben schon eine ganze Reihe von Erkenntnissen für die Fertigungsstabilität ermitteln können. Mit zielgerichteten Datenanalysen konnten wir schon konkrete Optimierungsvorschläge für den Werkzeugkreislauf, die betriebsinternen Materialflüsse und die Produktqualität machen und umsetzen. Besonders interessant ist die Analyse der Fehlerursachen bzw. Mängel in der Produktqualität im Zusammenhang mit dem NC-Programm und der Maschinenkonfiguration.

Connected Industry: Kann man zusammenfassend sagen, dass Industrie 4.0 bereits heute schon verschiedene Trends zusammenbringt und für Industrieanwendungen bündelt?

Ja, neben der Idee der schlanken Prozesse, der Digitalisierung, der Datenanreicherung und Datenauswertung sind noch weitere Konzepte relevant, insbesondere das Internet der Dinge und Dienste, mobile Anwendungen und die Virtualisierung.