Berlin/München, Januar 2016: Die zunehmende Digitalisierung lässt sich weder eindämmen, noch lassen sich konventionelle Geschäftsmodelle davor abschotten. Die Entwicklung von datenbasierten Service-Geschäftsmodellen muss somit für viele Industrieunternehmen höchste Priorität haben. Die Verknüpfung der virtuellen und physischen Welt bringt zahllose neue Möglichkeiten hervor, um die Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen, neue Umsatzquellen zu erschließen und dem Wettbewerb voraus zu sein.
Datengetriebene Services, die auf den Betriebsdaten der Produkte basieren, könnten schon bald wichtiger werden als das Produkt selbst. Denn Anbieter von Smart Services haben die Beziehung zum Kunden in der Hand und erschließen sich weitere Umsätze mit neuen Geschäftsmodellen. Datengetriebe Services setzen als After-Sales-Geschäft nach dem Verkauf an und verschieben die Grenzen der Wertschöpfung in neue Umsatzdimensionen. Im Service 4.0-Verständnis ist die Kauftransaktion somit erst der Beginn einer gewinnträchtigen und kontinuierlichen Geschäftsbeziehung mit dem Kunden. Der Hersteller kann sein Produkt über den kompletten Lebenszyklus hinweg begleiten, indem er dem Käufer stets neue Mehrwertleistungen offeriert. So haben führende Technologieunternehmen bereits vor einigen Jahren erkannt, dass es notwendig ist, sich von der reaktiven Reparatur im Defektfall abzuwenden, und „Predict-and-Prevent“-Modelle in ihr Service-Angebot einzubauen, mit denen sich mögliche Risikogrößen prognostizieren lassen. Hier werden Datenmassen zu neuartigen Dienstleistungen veredelt, die die genauen Bedürfnisse der Kunden frühzeitig erkennen.
Dennoch geht der Schritt in Richtung Service 4.0 in den meisten Unternehmen noch zu langsam. Die Führungsriege in vielen Fertigungsunternehmen ist noch immer produkt- und nicht servicegetrieben, der tangible Verkaufsumsatz und nicht das immaterielle Lebenszyklus-Geschäft stehen im Vordergrund – noch. Denn der Handlungsdruck für mittelständische Industriebetriebe steigt permanent, zukunftsweisende Service 4.0-Modelle zu entwickeln und sich vom Wettbewerb abzuheben, bevor es andere tun. Die Frage, wie sich die installierte Basis optimal kommerzialisieren lässt drängt vermehrt in den Vordergrund. Service 4.0 ist die Chance, um in Zeiten sinkender Wachstumsraten dem massiven Preisdruck zu begegnen. Dabei dürfen datengetriebene Services nicht als bloßes Zusatzgeschäft verstanden werden. Unternehmen, die Service 4.0 erfolgreich praktizieren, bauen eigenständige Service-Profit-Center auf und verankern ein eigenes Service-Ressort in der Geschäftsführung. Empirische Untersuchungen belegen eindrucksvoll, dass sich dieser Schritt lohnt: Vorreiter von Service 4.0-Modellen verzeichnen im Service-Geschäft einen stark wachsenden Umsatzanteil und weit überdurchschnittliche Margen.
Zu den Pionieren für Service 4.0-Modelle gehören beispielsweise Hersteller von Windenergieanlagen. Diese bieten ihren Kunden prädiktive Analytics Services an, um die Produktivität zu erhöhen oder Störungen zu antizipieren. Damit kann sich der Windparkbetreiber stärker auf sein Kerngeschäft konzentrieren, denn er interessiert sich weniger für die Windenergieanlage als für deren Leistung und Verfügbarkeit. Ebenso haben führende Maschinenbauer die Möglichkeiten und Potenziale für sich erkannt. So können die über moderne Sensorik ausgelesenen Daten in einem zentralen Big Data Hub analysiert werden. Daraus lassen sich im laufenden Produktionsbetrieb anhand von Benchmark-Vergleichen Empfehlungen für eine höhere Performance, Produktivität und Stabilität abgeben. Zudem sind Anwendungen auf dem Gebiet von Augmented Reality, die dabei unterstützen, fehlerhafte Teile zu lokalisieren bei vielen Anbietern bereits heute Service-Praxis. Weiterhin gibt es erfolgreiche Pilotanwendungen mit anlagenspezifischen Handelsplattformen für Prozessdaten von Produktionssystemen. Auf dieser Plattform werden die Daten gesammelt, ausgewertet und zur Weiterverarbeitung bereitgestellt. Dabei sind sowohl der Maschinenbetreiber und -hersteller sowie relevante Lieferanten eingebunden, um mit erfolgskritischen Prozessparametern zu handeln und auszutauschen. Derartige Plattformen fungieren somit als Content Provider für die darauf basierenden Smart Services. Im Ergebnis kann der Betreiber die Anlageneffizienz bei geringeren Kosten deutlich erhöhen, da er die Prozessdaten für unterschiedlichste Anforderungen bedarfsgerecht über die Handelsplattform beziehen kann.
Vergleichbare Lösungen lassen sich bspw. auch in Logistikketten einsetzen, die sich aus unterschiedlichen Akteuren (Hafen, Reedereien, Transportunternehmen, Zollbehörden, etc.) zusammensetzt. Durch eine Verknüpfung und Auswertung von Verkehrs-, Infrastruktur- und weiterer Prozessdaten in der gesamten Logistikkette auf einer zentralen Plattform können Logistikprozesse übergreifend verbessert werden. Zudem können Transportkapazitäten effizienter disponiert und ausgelastet werden. Eine absolute Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Für deutsche Industrieunternehmen gilt es nun, ihr Produktspektrum mit Smart Services zu erweitern und die Spielregeln zu definieren. Der Entwicklung digitaler Service-Modelle muss dabei aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet werden. Neben der eigenen Perspektive, die der Abnehmer und Lieferanten müssen hier zunehmend auch digitale Unternehmen, die mit innovativen digitalen Lösungen in die Märkte eintreten möchten, ins Blickfeld rücken.
Da sich die neue Welt der digitalen Services noch in der Anfangsphase befindet, ist die Chance noch nicht vertan und wir können noch gute Voraussetzungen schaffen, um auch künftig den Markt aktiv zu gestalten.
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