Interview – Datengetriebene Energiewirtschaft

Interview mit Karsten Vortanz, Geschäftsführer bei VOLTARIS, über die datengetriebene Energiewirtschaft

karsten-vortanz-voltarisVOLTARIS ist der Experte für Lösungen im Energiedatenmanagement, Messstellenbetrieb und Smart Metering für Stadt- und Gemeindewerke, Netzbetreiber, Industrie und Gewerbe. Die Gesellschaft bietet passgenaue Lösungen rund um moderne Messeinrichtungen und Smart Meter Gateway zum Betrieb von intelligenten Messsystemen, Gateway- Administration, Lösungen für Gerätemanagement und Marktkommunikation, Datenmanagement (MDM, EDM), WiM-Prozesse, Mehrwertdienste wie Smart Metering, Visualisierung und EEG-Lösungen.

Connected Industry: Bitte skizzieren Sie das Geschäftsmodell von VOLTARIS

VOLTARIS ist einer der größten unabhängigen Dienstleister im klassischen Metering sowie intelligenten Metering in Deutschland. Wir sind der Messstellenbetreiber von über 1 Mio. Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmezählern mit rund 200 B2B-Kunden, vorwiegend im Saarland und Rheinland-Pfalz. Unsere Kunden sind Stadtwerke, Energieversorger, Kommunen und Industrie. Dabei arbeiten wir im Hintergrund – da das Stadtwerk den Endkundenkontakt hat – und bieten sämtliche Dienstleistungen für den grundzuständigen Meßstellenbetreiber, dem Netzbetreiber in einem Netzgebiet.

Connected Industry: Welche Erkenntnisse können aus den Daten gewonnen werden, welcher Mehrwert entsteht daraus?

Im neuen Meßstellenbetriebsgesetz gibt es zunächst neue Begrifflichkeiten: Smart Metering wurde durch das intelligente Meßsystem abgelöst. Das intelligente Meßsystem ist dabei eine moderne Meßeinrichtung, die an ein computergestütztes Kommunikationsnetz angeschlossen ist. Dies betrifft alle Haushaltskunden und Energiekunden ab einem Jahresverbrauch von 6.000 kWh. Unterhalb dieser Schwelle wird eine moderne Meßeinrichtung verbaut – das entspricht auch einem Smart Meter, jedoch ohne Kommunikationsanbindung. Diese hat nur die Auflage, Verbrauchsdaten für zwei Jahre zu speichern und muss künftig über ein Smart Meter Gateway an ein Kommunikationssystem angebunden werden können.

Bislang gab es einen datenbasierten Output nur bei Verbräuchen über 100.000 kWh – hier wurden die Daten im 15-Minutentakt ausgelesen und dann wurde vorwiegend Bilanzierung gemacht. Künftig werden die Verbrauchsdaten auch von Kunden ab 6.000 kWh eingesammelt mit dem Ziel, diese Verbräuche dem Endkunden zur Verfügung zu stellen und Einsparungen zu erzielen. Also: die Visualisierung und daraus Erkenntnisse ziehen, um Energie einzusparen – dies ist ein wesentlicher Punkt mit einer künftig hohen Bedeutung. Das zweite Thema ist, diese Daten, die wir im 15-Minutentakt zur Verfügung haben, täglich auszulesen und Produkte anzubieten: Zeit- und lastvariable Tarife sowie Einbindung in Smart Grids.

Die vielen Insellösungen im Energiesektor führen zudem zu kleinen Smart Grids, die autonom agieren. Wenn dabei zu viel Last im Netz ist, muss man abschalten können – das wird mit Smart Metern passieren und dafür werden die Daten benötigt.

Connected Industry: An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?

Wir arbeiten aktuell an drei großen F&E-Projekten: Das PolyEnergyNet – hier geht es um die Konzeption und Erprobung eines robusten Netzbetriebs, der auf die Volatilität von Einspeisung und Verbrauch reagieren kann, d.h. Insellösungen. Also: Daten auswerten und dann die momentan vorhandene Energie mit den Verbräuchen gegenüberstellen – damit kleine Insellösungen, Arealnetze, einzelne Stadtteile unabhängig voneinander agieren können. Darüber hinaus arbeiten wir am Designetz, eines von sechs großen Forschungsprojekten, die von der Bundesregierung ausgeschrieben wurden. Hier werden Konzepte und Lösungen für intelligente Netze erprobt. Dabei sind 140 Projektpartner, u.a. RWE, die Telekom und unsere Gesellschafter, die Pfalzwerke und VSE. Dies ist noch im Forschungsstadium und beginnt am 1.1.2017. Das dritte große Thema ist die Erprobung von Lithium-Ionen-Speichern für deren Integration ins Netz.

Connected Industry: Was ist Ihre Vision von der datengetriebenen Energiewirtschaft?

In naher Zukunft werden wir die ersten ausreichenden Mengen an Zählern im Netz haben, so dass wir dann erste Analysen durchführen können. Dabei muss sich die Energiewirtschaft umstellen, um aus diesen riesigen Datenmengen neue Geschäftsmodelle aufzubauen und einen Nutzen zu ziehen – vor allem für den Endnutzer. Die Energiewirtschaft wird somit künftig deutlich datengetriebener sein, als sie es heute ist: Analysen auf Basis der Daten, Energieberatung auf Basis von Verbräuchen oder Vorschläge für einzusetzende Haushaltsgeräten, um Energie einzusparen und steuerbar zu machen. Wir haben auf der Agenda, bis 2050 80% aus regenerativen Energien machen wollen – dazu muss der Energiesektor auf Basis der Daten gesteuert und geregelt werden können. Davon sind wir aktuell noch weit entfernt.